6. Evolution

2. Belege für Verwandtschaft und Stammesgeschichte

a.) Die Vielfalt nach Verwandtschaftsgrad ordnen

Natürliche Systematik und Taxonomie:

Die enorme Vielfalt unterschiedlicher Lebewesen versuchen Biologen in einer Systematik zu erfassen. Dabei gliedern Sie die Gruppen nach dem Grad der Verwandtschaft, die unterste Gliederungsebene ist dabei die Art. Mit dem Satz "Siehe keine Ordnung für gering an" kannst Du Dir das Ordnungsschema der Taxonomen merken, hier an einem Beispiel aus dem Tierreich verdeutlicht:

  • Stamm: Chordatiere
  • Klasse: Lurche
  • Ordnung: Froschlurche
  • Familie: Echte Frösche
  • Gattung: Echte Frösche
  • Art: Grasfrosch

Die Systematik heißt 'natürlich', weil sie sich an die tatsächlich vorhandenen Lebewesen anpasst und nicht diese in eine Kategorie hineinzwängt. Sie verändert sich also, wenn die Erkenntnisse sich ändern. Das Verfahren der Klassifizierung von Lebewesen heißt Taxonomie (Kategorien = Taxa).

  • Aufgabe: Wende dieses Schema an einem selbst gewählten Beispiel an, zum Beispiel Deinem Lieblingstier.

Der Artbegriff

Die unterste Kategorie der Taxonomie ist die Art. Diesen Begriff benötigen wir in der Evolution, wenn wir den Prozess der Artbildung verstehen wollen.


Eine Art bildet eine Gruppe an Lebewesen, die ...

  • sich untereinander fortpflanzen können und dabei fruchtbare Nachkommen bekommen.
  • morphologisch und genetisch ähnlich sind.
  • einen gemeinsamen Vorfahren haben.

Da es sich bei der Artbildung um einen fließenden Übergang von einer zu zwei Arten handelt, finden wir zu allen drei genannten Kriterien auch Beispiele, bei denen dieser so nicht (ganz) zutrifft.

  • Aufgabe: Kennst Du Tiergruppen, die zu einer Art gehören und sich dennoch in einem der genannten Kriterien unterscheiden?

b.) Der Prozess der Artbildung

Der folgende Film zeigt Dir schematisch zunächst den Ablauf der allopatrischen (allos=fremde patra=Heimat) und anschließend der sympatrischen (sym=gemeinsame) Artbildung:

  • Beschreibe die beiden Prozesse in eigenen Worten. Gehe dabei auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten ein.

c.) Homologie verrät Verwandtschaft, Analogie nur eine konvergente Entwicklung

Ein Beleg für Verwandtschft liefern die wissenschaftlichen Disziplinen der Morphologie und Anatomie. Dabei konzentrieren sich die Wissenschaftler darauf, Bauplanähnlichkeiten danach zu unterscheiden, ob sie homolog oder analog sind. Homologien sind nämlich die Folge einer genetischen Gemeinsamkeit und damit von Verwandtschaft, Analogien entstehen als Angepasstheiten an ähnliche Umweltfaktoren und lassen keinen Rückschluss auf Verwandtschaft zu. 

Homologie:

Es gibt drei Kriterien, nach denen man auf eine Homolgie rückschließen kann:

  1. Kriterium der Kontinuität: Finden wir bei Organen unterschiedlicher Lebewesen eine Entwicklungsreihe, kann dies ein Abbild der evolutiven Entwicklung darstellen.
  2. Kriterium der Lage: Ähneln sich innere Strukturen unterschiedlicher Lebewesen in der Lage, Anzahl und Abfolge ihrer Zusammensetzung, ist dies auch ein Hinweis auf eine gemeinsamen evolutiven Ursprung. Es ist unwahrscheinlich anzunehmen, dass als Reaktion auf völlig unterschiedliche Umweltfaktoren solche Ähnlichkeiten entstehen.
  3. Kriterium der spezifischen Qualität: Manche Strukturen erscheinen zunächst überhaupt nicht miteinander verwandt, weil sie weder eine Kontinuität noch eine ähnliche Lage aufweisen. Dennoch kann z.B. die verwendete Bausubstanz und die Anordnung derer so ähnlich sein, dass man auch deshalb von einer Homolgie ausgehen kann.

a.) Knochen der Vorderextremität von Riesenschildkröte und Mensch

b.) Herzen von Amphib, Reptil und Vogel bzw. Säugetier
(blau: sauerstoffarmes, rot: sauerstoffreiches, lila: gemischtes Blut)

c.) Aufbau einer Hautschuppe eines Haifischs und eines Säugetierzahns


  • Aufgabe: Ordne diesen drei Beispielen das passende Homologiekriterium zu.

Analogie:

Das Ergebnis einer konvergenten Entwicklung, das heißt einer Angepasstheit an ähnliche Umweltfaktoren, nennt man Analogie. Diese sagt also nichts über die Verwandtschaft aus. Ein bekanntes Beispiel einer Analogie ist hier dargestellt:

  • Erkläre, warum es sich in diesem Beispiel um eine Analogie handelt.

d.) Rudimentäre Organe und Atavismen

Definition Rudiment: zurückrückgebildetes, aber noch vorhandenes Merkmal (z.B. ein Organ oder auch ein Verhalten), das im Lebewesen keine oder nicht mehr die ursprüngliche Funktion erfüllt.
Definition Atavismus: Eigentlich rudimentäre Organe können bei einzelnen Individuen wieder so auftreten, wie sie bei Vorfahren angelegt waren.

Rudiment: Steißbein des Menschen

Atavismus: zur Schwanzwirbelsäule verlängertes Steißbein bei einem Mensch


  • Beschreibe mit eigenen Worten, was ein Rudiment und ein Atavismus ist. 
  • Kennst Du weitere Beispiele beim Menschen oder aus dem Tier- und Pflanzenreich?

e.) Fossilien und lebende Fossilien

Fossilien:

Paläontologen haben bereits mehrere hunderttausend fossile Arten beschrieben und schätzen, dass die Anzahl an ausgestorbenen Arten mehr als eine Milliarde beträgt. Als Fossil erhalten blieb dabei nur ein kleiner Bruchteil, und zwar entweder als Körperfossil (mineralisiert = versteinert oder als Abdruck) oder als Spurenfossil (z.B. Fußspuren, Verdauungsrückstände). Die allermeisten Fossilien finden sich in Sedimentgesteinen, eine bekannte Stelle in der Nähe ist die Grube Messel bei Darmstadt: In dieser CO2-Senke kamen zahlreiche Tiere ums Leben, die aus dem schlammigen Kratersee trinken wollten.

Bedeutung:

  • Stammbäume: Fossilien liefern wertvolle Hinweise, welche Merkmale ursprünglich (plesiomorph) und welche abgeleitet (aplesiomorphe) sind. Fossilien bilden damit eine wesentliche Grundlage beim Erstellen von Kladogrammen und Stammbäumen (siehe g.)
  • Mosaiktypen: Besonders interessant sind Funde fossiler Arten, die Merkmale von zwei rezent lebenden Tieren aufweisen wie z.B. der Urvogel Archaeopteryx. Sie können direkt eine Aufspaltung von zwei großen Linien aufzeigen. So besitzt der Urvogel Archaeopteryx beispielsweise Merkmale von Reptilien und Vögeln.

Aufgabe: Hier siehst Du einen weltberühmten Abdruck von Archaeopteryx. Finde mit diesem Bild einer Schiefertafel heraus, welche Reptilienmerkmale und welche Vogelmerkmale Archaeopteryx aufwies:

Lebende Fossilien:

Eine rezente Art, die vom Bau und der Physiologie her einem fossilen Vorfahren sehr ähnlich ist wie z.B. der Quastenflosser Latimeria, der Kopffüßer Nautilus (Perlboot), Pfeilschwanzkrebse und bei den Pflanzen der Ginkgo oder Palmfarne. Ein von Darwin eingeführter Begriff, er wunderte sich, weshalb manche Arten scheinbar nicht der Selektion und Evolution unterworfen sind. Heute spricht man von einer „morphologischen Zwangsjacke“: die Lebewesen bewohnen meist Lebensräume, deren Umweltfaktoren sich über lange Zeit kaum verändert haben (z.B. Tiefsee).

Latimeria ist ein rezenter Quastenflosser bis 2m Länge und 100kg Gewicht, er lebt in der Tiefsee (200-400m). Sein Name kommt von den Flossen, die an Quasten eines Vorhangs erinnern. Bauch und Brustflossen sind mit Knochen versehen. Insgesamt ähnelt Latimeria den vor 400 bis 65 Mio. Jahren lebenden fossilen Quastenflossern noch stark.

f.) Kladogramme sind spezielle Stammbäume

Aufgaben:

  1. Definiere und beschreibe das Kladogramm als spezielle Form eines Stammbaums.
  2. Erläutere die Begriffe plesiomorph, symplesiomorph, apomorph und synapomorph.
  3. Erkläre, wie man durch einen Außengruppenvergleich ein Merkmal als plesiomorph oder apomorph bestimmen kann.

g.) Molekulare Belege für Verwandtschaft